Am 16. Mundarttag trafen sich Dichter und Autoren aus verschiedenen Teilen der Schweiz. Das Spiel mit der Sprache fand beim Publikum Anklang. Auch die Lachmuskeln wurden beansprucht.
«Bei uns in Rorschacherberg spricht man anders als in Rorschach, das nur einen Steinwurf entfernt liegt», erzählte Erwin Messmer. Der St. Galler Dichter und Autor bezog sich auf die Vielfältigkeit der Schweizer Mundart, die am vergangenen Sonntag beim 16. Mundarttag im Schloss Heidegg so richtig zelebriert wurde. Dieser Anlass findet jeweils anlässlich des «Seetaler Poesiesommers» statt und wird von Ulrich Suter organisiert. Christian Schmid, bekannt aus der SRF-Sendung «Schnabelweid», moderierte das dreistündige Programm. Schmid eröffnete den gut besuchten Anlass mit einer Analyse zur Entwicklung der Mundart-Literatur. In den 80er- und 90er-Jahren seien viele junge und aufstrebende Künstler auf Konfrontation mit der «alten Garde» der Mundart-Dichter und Autoren gegangen. «Die Texte waren mehr heimatbezogen und nicht so urban, wie bei der neuen Generation.» Laut Schmid sei es jedoch falsch gewesen, die Werke nur so einseitig zu kritisieren. Ein gutes Beispiel, dass auch früher tolle Gedichte geschrieben wurden, beweist die Frutigtaler Dichterin Maria Lauber, welche von 1891 bis 1973 gelebt hat. Ihre Gedichte handeln zwar tatsächlich häufig von ihrer Heimat. Gleichzeitig scheute sie in ihren Werken aber auch nicht Themen anzusprechen, die in der heutigen Zeit viele Menschen beschäftigen.

«Die Gedichte von Maria Lauber sind so stimmig, dass man sie nur noch singen muss.» Diese Aussage stammt von Christoph Trummer, der zusammen mit Nadja Stoller zahlreiche Stücke komponiert hat, welche die Texte von Lauber vertonen. Mit Akkordeon, Gitarre und Mundharmonika klangen ihre Songs sehr melancholisch. Nadja Stoller verstärkte diesen Eindruck mit ihrer feinen, aber kraftvollen Stimme. Zwischen den Liedern lasen die beiden auch immer wieder einzelne Textstellen aus dem Schaffen von Maria Lauber. In einem der Gedichte werden zwei Flüsse beschrieben, die durch das Frutigtal fliessen. Die «Entschlige», wild und unberechenbar, und die «Chander», ruhig und scheu. Die Beschreibung der beiden Gewässer mit ihren unterschiedlichen «Charakteren» deuten auf einen ungemein guten Beobachtungssinn der Autorin hin. Nebst Gedanken aus der Natur, thematisierte Maria Lauber auch ihre Sehnsüchte. So war sie ihr ganzes Leben lang ledig und kinderlos. Das Stück «Under Tanne» beschreibt diese Gefühle. Es gebe zahlreiche Theorien, warum Maria Lauber ledig blieb, so Trummer. Eine davon führe auf ihre gute Ausbildung zurück. «Sie als Lehrerin brauchte keinen Mann, der für sie sorgte.»
Während die beiden Musiker sich ins Publikum setzten, machte sich Iris Meyer als Märchen- und Sagenerzählerin bereit. Laut Christian Schmid gehört diese Erzählform zu den ältesten Schriften in der Mundartliteratur. Meyers Sage über einen nordischen Geiger, der gerne einmal die magische Elfenmusik spielen möchte, fand beim Publikum gefallen. Auch das nachfolgende Märchen über eine Prinzessin, die nur mit einer guten Geschichte zu betören ist, liess die Anwesenden aufmerksam zuhören. Auf die Frage, ob sie lieber vor Erwachsenen oder vor Kindern erzählt, konnte die Aarauerin keine definitive Antwort geben, stellte aber fest: «Vor Kindern zu erzählen ist schwieriger. Sie sind sehr anspruchsvolle Zuhörer.»

Besser nicht vor Kindern erzählen, sollte wohl Erwin Messmer. Der eingangs erwähnte St. Galler Dichter gab bereits am Anfang zu Protokoll: «Ich habe schon als Kind gerne geflucht.» Aus seinem neusten Werk «Äm Chemifäger sis Päch» las er dem Publikum einige seiner Gedichte vor. Viele der Texte sind kurzgehalten und triefen vor Humor und Sprachwitz. Die lustigen Gedichte und der trockene Erzählstil von Messmer lösten im Publikum, während einer halben Stunde, viel Gelächter aus.
Dass Schweizer Dialekt sogar orientalische Klänge hervorbringen kann, bewies Christian Schmutz. Er ist im freiburgischen Sensebezirk aufgewachsen. Die Frage «Vermag man das?», klingt im Sensler Dialekt «vemanodas?». Ausgesprochen mit der richtigen Betonung könnte das Wort durchaus aus dem Mund eines arabischen Scheiches stammen. Apropos Scheich. Auch bei diesem Wort kann es zu Missverständnissen kommen. «Scheiche» heisst schenken, Beine oder eben Scheiche. Nicht einfach, diese Sensler. Oder wie er es mit seinem Buch gleich selbst auf den Punkt bringt: «D Seisler hiis bös.» Laut Schmutz gehe die Schwierigkeit, einen Sensler richtig zu verstehen, so weit, dass manche ihren Dialekt abschwächten. «Viele sprachen Berndeutsch. Sie schämten sich. Heute sind wir aber stolz darauf.» Wie viel Ironie und wie viel Wahres in dieser Aussage steckte, musste jeder für sich entscheiden. Das Publikum amüsierte sich auf jeden Fall köstlich über die Wortspielereien und den speziellen Dialekt.

Am Schluss führte die Reise noch einmal ins Frutigtal. Christoph Trummer und Nadja Stoller präsentierten zwei weitere Stücke aus ihrem Repertoire. Diesmal waren die Arrangements etwas wilder und fetziger. Die beiden Frutigtaler hatten auch nach knapp drei Stunden alle Zuhörer auf ihrer Seite. Es schien fast, als hätte jeder noch länger zuhören wollen. Oder wie es Christian Schmid treffend formulierte: «Eure Musik hat Suchtpotenzial.»