Die Freiwilligen der Naturkommission Hitzkirch retten jeden Tag Leben. Sie tragen Frösche und Kröten über die Strasse, um sie vor dem sicheren Tod zu bewahren. Ein Augenschein vor Ort.
Im grünen Plastikkübel, den Franziska Held über die Wiese bei der Brunnmatte zwischen Ermensee und Retschwil trägt, sind nur Beine, Füsse, Augen und Köpfe zu sehen, die sich in alle Richtungen bewegen. Besonders die Frösche versuchen ständig, an der glitschigen Kübelwand hochzuklettern. Dabei können sich die Tiere glücklich schätzen. Wären sie nur wenige Meter weiter auf die Strasse gesprungen, hätte dies für viele von ihnen der sichere Tod bedeutet. Um dies zu verhindern, stellte die Umweltkommission Hitzkirch zusammen mit Lernenden der Firma «Seven Air» Amphibienzäune auf. Diese Absperrungen, die Schneckenzäunen ähneln, hindern die Amphibien am Überqueren der Strasse. So ist es für Franziska Held und Katharina Pastore ein Leichtes, die Grasfrösche, Erdkröten und Bergmolche, welche zu Dutzenden bei der Barriere «anstehen», einzusammeln, über die Strasse zu tragen und beim nahegelegenen Baldeggersee wieder abzusetzen. «Die Tiere müssen ans Wasser, um zu laichen», erklärt Katharina Pastore.
Bewusstsein fehlt
Die beiden Frauen sind Teil eines 20-köpfigen Teams, das aus freiwilligen Tierfreunden besteht. Zwischen Ende Februar und Anfang April sind immer mindestens zwei Helfer bei der Brunnmatte unterwegs. Da Amphibien bei Dunkelheit wandern, erfolgen die Einsätze früh am Morgen oder spätabends. «Ich stehe morgens gerne früh auf. Es ist immer wieder schön, den Sonnenaufgang mitzuerleben», sagt Franziska Held. Abends noch um 22 Uhr Frösche einsammeln, sei hingegen weniger ihr Ding.
Die 51-Jährige ist vor fünf Jahren durch eine Kollegin auf das Problem aufmerksam geworden. «Den meisten ist zu wenig bewusst, wie viele Tiere jährlich überfahren werden.» Das glaubt auch Katharina Pastore. Die Hitzkircherin ist Mitglied bei Pro Natura und trägt bereits seit sechs Jahren Amphibien über viel befahrene Seetaler Strassen. «Trotz Warntafeln, die auf die Wanderung der Tiere aufmerksam machen, wird schnell gefahren.» Die 63-Jährige glaubt, dass weniger Tiere sterben müssten, wenn durch die gefährdeten Gebiete das Tempo etwas gedrosselt würde. Franziska Held ist sich nicht sicher, ob dies nützen würde. «Dann müssten die Lenker aber auch aussteigen und die Tiere über die Strasse tragen. Und wer macht das schon?»
Mehrere Tausend Tiere «eskortiert»
Dass trotz Sperren weiterhin viele Tiere sterben, zeigen die zahlreichen toten Frösche und Kröten, welche in der Brunnmatte auf der Fahrbahn liegen. Es sei leider unmöglich, alle Hüpfer am Überqueren der Strasse zu hindern. Besonders bei den Lücken des etwa 200 Meter langen Zauns gehen viele Tiere über die Strasse. «Irgendwo muss der Bauer halt noch auf sein Feld fahren können», sagt Pastore. Trotz diesen Verlusten ist die Arbeit der Helferinnen und Helfer von grosser Bedeutung. Gemäss der kantonalen Dienststelle für Landwirtschaft und Wald (Lawa) wurden vergangenes Jahr 2875 Tiere über die Seetaler Strassen «eskortiert». Bei der Brunnmatte wurden 1193 Exemplare gerettet. Beim Sagiweiher in Ballwil 837, in Gelfingen Unterbühl 822 und in Huwil 23 Tiere. Während in Gelfingen vor allem Grasfrösche vorkommen, sind es in Ballwil mehr Erdkröten. In der Brunnmatte hat es von beiden etwa gleichviel. Hinzu kommen dort noch Bergmolche. Allgemein variieren die Zahlen stark. Im Jahr 2016 wurden in der Brunnmatte beispielsweise nur halb so viele Tiere gezählt. Dafür zeigten sich in Gelfingen fast dreimal so viele Frösche und Kröten. Gemäss dem Lawa hat dies vor allem mit starken Bestandesschwankungen zu tun.
Artenvielfalt erhalten
Die Anzahl Tiere ist auch von Tag zu Tag verschieden. Beim Besuch des «Seetaler Bote» vergangene Woche war die Ausbeute äusserst gut. «Wir haben 38 Grasfrösche, 24 Erdkröten, 23 Bergmolche, ein Fadenmolch und zwei Kreuzkröten zum See gebracht», sagt Katharina Pastore mit Blick auf ihre mitgeführte Bestandesliste. «Es gibt Tage, an denen wir nur zwei Frösche über die Strasse tragen.» Die grossen Unterschiede sind durch das Wetter zu erklären. Amphibien wandern nämlich erst dann, wenn die Temperaturen vor Sonnenaufgang im Plusbereich sind und es im besten Fall noch regnet. Bei solch perfekten Bedingungen sind auch die Chancen für seltene Arten grösser. «Dass wir heute zwei Kreuzkröten und einen Fadenmolch gefunden haben, freut uns besonders», sagt Franziska Held. Die Hitzkircherin hatte die raren Hüpfer sofort erkannt und zeigte die gelbe Linie auf dem Rücken der Kreuzkröte. Der Fadenmolch hat im Vergleich zum Bergmolch keinen orangen, sondern hellgelben Bauch.
Franziska Held hatte vor ihren Einsätzen für die Tiere nicht viel mit Amphibien zu tun. Nun sei das anders. «Ich will die Artenvielfalt erhalten.» Katharina Pastore liegen Tiere allgemein am Herzen. «Ich renne fast jedem Tier hinterher.» Wie ernst sie das meint, zeigt sich bei der Rückkehr vom See zur Strasse. Ein Rückläufer, also ein Tier, das bereits wieder auf dem Weg zum Wald ist, hüpft mitten auf die Strasse. Sofort eilt Pastore auf die Strasse und hebt den Frosch auf. Ein Auto muss stark bremsen. Ihr Einsatz zeigt, dass nicht nur die Amphibien, sondern manchmal auch deren Beschützer gefährlich leben.