Osterhasen werden in den nächsten Tagen überall zu sehen sein. Bei ihren lebendigen Artgenossen sieht es hingegen weniger rosig aus. Die Feldhasenpopulation ist rückläufig. Auch im Seetal.
Wenn an Ostern die Kinder wissen wollen, wer eigentlich die vielen Süssigkeiten ins Nest legt, gibt es nur eine Antwort: Der Osterhase. Sein Erscheinen ist ein Symbol für den Übergang zwischen den Jahreszeiten. Ein Frühlingsbote, wenn man so will. Aber nicht nur das, der Hase steht auch für Fruchtbarkeit und Leben. Das passt, schliesslich vermehren sich Hasen bekanntlich äusserst schnell. In freier Wildbahn ist Meister Lampe trotzdem stark gefährdet. Seit 1965 sinkt der Bestand der Feldhasen praktisch jährlich. Hoppelten vor 43 Jahren noch über 4800 Tiere durch die Luzerner Wiesen und Wälder, waren es im vergangenen Jahr gerade noch 1318 Hasen. Dies ist gemäss einer Erhebung der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) der zweittiefste Wert überhaupt. Nur im Jahr 2016 wurden mit 1220 Tieren noch weniger Feldhasen gezählt. Gemäss Simon Meier von Wildtier Schweiz sind die Bestände schweizweit rückläufig. «Besonders das Mittelland ist betroffen.» Zahlen gebe es aber keine dazu, da nicht alle Kantone Bestandsaufnahmen machen.
Die Gründe für diesen drastischen Rückgang sind gemäss Daniel Schmid vom Lawa vielfältig. «Neben Witterungseinflüssen und der Gefahr durch Feinde gelten Lebensraumverluste und -entwertungen sowie die intensive landwirtschaftliche Nutzung des Kulturlandes als Probleme für die Feldhasen.»
Dass die Kombination von verschiedenen Faktoren dem Feldhasen das Leben schwer macht, glaubt auch Kurt Eichenberger vom WWF Luzern. «Die intensive Landwirtschaft, in Kombination mit steigender Zersiedelung und der Zunahme von Raubtieren, setzt den Hasen zu.» Eine Häsin werfe pro Jahr durchschnittlich zwei- bis dreimal. «Von diesen Jungtieren sterben etwa 90 Prozent im ersten Jahr.» Da das Hasenweibchen nur zweimal pro Tag bei den Jungtieren vorbeikommt, um sie zu säugen, sind sie für den Rest der Zeit auf sich alleine gestellt. «Die Tiere müssen sich vor Räubern wie Füchsen oder Greifvögeln verstecken können», erklärt Eichenberger.
Und genau das ist häufig ein Problem. Auf den dicht gesäten Äckern kommen die Tiere nicht zwischen den Halmen hindurch und sind ihren Räubern schutzlos ausgeliefert. Mit einer dünneren Aussaat des Getreides könnte man diesem Problem entgegenwirken. Das hat nun auch der Kanton erkannt und unterstützt ab diesem Jahr Bauern mit Subventionen, die Getreidefelder mit weiten Reihen bewirtschaften. «Wir hoffen, dass die in der Praxis getestete und erfolgreiche Massnahme bei Bauern Schule macht», sagt Eichenberger. Bis jetzt sei man mit zehn Bauern in direktem Kontakt. Da die Anpassungen bei Getreidefeldern nur von Januar bis Juli ihre Wirkung zeigen, braucht es gemäss Daniel Schmid vom Lawa noch mehr. «Speziell angepasste Brachen wirken ganzjährig.» Damit sind Ökostreifen in den Feldern gemeint, die heute meist langförmig entlang der Parzellengrenze verlaufen. Besser wäre es, wenn diese rechteckig oder quadratisch zentral im Feld angelegt wären, da beispielsweise der Fuchs solche Flächen weniger häufig nach Beute absucht.
Unter den zehn oben genannten Bauern ist keiner aus dem Seetal. Gemäss Lucius Kaufmann vom Bäuerinnen- und Bauernverein Oberseetal steht der Schutz des Feldhasen nicht zuoberst auf der Prioritätenliste. «Wir beteiligen uns an verschiedenen Vernetzungsprojekten, um Wildtieren Korridore von Wald zu Wald zu ermöglichen.» Dabei sei der Feldhase nur eine der betroffenen Tierarten. Das neue Subventionsprogramm sei dem Verein noch nicht bekannt. Über die Gründe für die schwindende Population verweist Kaufmann vor allem auf die vielen Strassen und die Zunahme der Bevölkerung. Auch die natürlichen Feinde des Feldhasen hätten zugenommen. «Wenn es viele Raubtiere hat, gibt es auch weniger Hasen.» Natürlich sei auch die Landwirtschaft mitverantwortlich: «Wenn es um die Natur geht, sind wir immer involviert.»
Für David Estermann von der Revierjagd Luzern-Sektion Seetal ist klar, dass – nebst Raubvögeln und der grossen Zersiedelung – die Bauern mitverantwortlich für die tiefen Bestände sind. «Die grossen landwirtschaftlichen Flächen sind eine Herausforderung für die Hasen.» Besonders die frühen Schnitte des Grases seien ein Problem. «Die jungen Hasen werden so immer wieder aufgescheucht.» Der Bestand gehe auch im Seetal jährlich zurück. «Im Gebiet Erlosen beobachten wir seit zehn Jahren fast keine Tiere mehr.» In den vergangenen fünf Jahren sei es noch dramatischer gewesen. «Wir haben überhaupt keine Feldhasen mehr gesehen.»
Wenn man die Zahlen des Lawa anschaut, ist auch klar, warum die Jäger keine Tiere mehr beobachten. Im Seetal lebten im vergangenen Jahr gerade noch 134 Exemplare. 2010 waren es immerhin noch 346 Hasen. Wegen den tiefen Beständen haben die Jäger freiwillig aufgehört, jagd auf die Tiere zu machen. «Die Hasenjagd wäre zwar immer noch erlaubt, aber auch wir sind daran interessiert, dass die Population wieder steigt», erklärt Estermann.
Damit die Bestände sich erholen können, braucht es also weniger intensiv genutzte Flächen. Gemäss dem Eschenbacher Jagdaufseher Hubert Schnarwiler geht es diesbezüglich in die richtige Richtung. «Die zunehmenden Ökoflächen geben Hoffnung, dass sich die Bestände langsam erholen können.» Schnarwiler macht alle paar Jahre Feldhasenzählungen in den Jagdgebieten von Eschenbach und Ballwil. Die letzte war im Frühling 2013. «Wir haben ungefähr 20 bis 30 Tiere gesehen.» Die nächste Zählung findet im April statt. Dass er dieses Mal mehr Hasen zählt als vor fünf Jahren, glaubt Schnarwiler trotz mehr Ökoflächen nicht. «Bei meinen wöchentlichen Rundgängen durch das Gebiet sehe ich häufig keine Tiere.»
Kurt Eichenberger vom WWF sieht die Lage ähnlich kritisch. «Wenn sich nichts ändert, wird es für den Feldhasen in Zukunft sehr schwierig.» David Estermann fordert daher mehr Zusammenarbeit. «Ich erwarte Bereitschaft von den Landbesitzern, gemeinsam den Feldhasen zu fördern.»