Ein Vollblutpolitiker geht neue Wege

Nach fast 15 Jahren im Gemeinderat von Hohenrain gibt Fredy Winiger sein Amt per Ende Juli ab. Auch im Kantonsrat ist ab Herbst Schluss. Winiger will sich beruflich neu orientieren. Mit dem SVPler verlässt ein Politiker die Bühne, der stets klar rechte Positionen vertrat, sich vor Kompromissen aber nie scheute.

Und plötzlich geht alles ganz schnell. Nachdem Fredy Winiger sein Amt als Gemeinderat von Hohenrain per Ende Juli abgeben wird, folgt im September die Demission als Kantonsrat. Auch als Präsident der Idee Seetal kann Winiger aufgrund seines Rücktritts in Hohenrain nicht länger amten. Hinzu kommt die Demission aus dem Verband der Luzerner Gemeinden, wo der Kleinwanger im Vorstand war. Erst noch galt der 61-Jährige als Vollblutpolitiker. In wenigen Monaten wird das alles Geschichte sein. Winiger tritt eine Stelle als Projektleiter Bau, Umwelt und Wirtschaft in Hitzkirch an. «Ich bin selber überrascht, wie schnell das alles gegangen ist», sagt Winiger am Küchentisch in seinem Haus in Kleinwangen. Er wirkt erleichtert, dass er endlich offen über seinen Neuanfang sprechen kann, nachdem sein Rücktritt vergangene Woche überraschend bekannt wurde. Er habe schon länger damit geliebäugelt, mit 61 nochmals etwas ganz anderes anzufangen. Er sei nun bald zum ersten Mal in einem offiziellen Anstellungsverhältnis. Bisher war Winiger entweder selbständiger Landwirt oder eben – Vollblutpolitiker. 

Künftig ein «Auszuführender»
Ist Fredy Winiger die Politik nach 14 Jahren im Gemeinderat und zehn Jahren im Kantonsrat verleidet? Winiger winkt ab. «Das hat sich jetzt halt so ergeben.» Er müsse nun Prioritäten setzen, wenn er nochmals einen neuen Weg einschlagen wolle, so der gelernte Meisterlandwirt. Für ihn sei klar gewesen, dass er sein neues 80-Prozent-Pensum und die Politik nicht unter einen Hut bringen kann. Auch sein künftiger Arbeitgeber habe ihn gefragt, ob er ohne Politik leben könne. «Sie haben mir sogar vorgeschlagen, doch Kantonsrat zu bleiben.» Dass er künftig ein «Auszuführender» sein wird und sein Chef ein CVP-Gemeinderat wird, sei sicher speziell, so Winiger. «Man darf aber nicht vergessen, dass ich schon als Gemeinderat operativ tätig war und auch das Metier gut kenne.» Er sei auch als Politiker immer sachlich gewesen und habe nie Mühe gehabt, Mehrheitsentscheide zu akzeptieren, so Winiger. Fragen habe es trotzdem gegeben, zum Beispiel wie er reagieren wird, wenn er einen Auftrag der Gemeinde Hitzkirch zuungunsten eines SVP-Sympathisanten ausführen muss, erzählt Winiger. «Ich war schon im Gemeinderat stets sachlich und ging nie stur nach Parteibüchlein.» Wie ernst es ihm damit ist, beweise er nun mit seinem Rücktritt von sämtlichen politischen Ämtern. Für Winiger ist klar: «Man muss sich stets bewusst sein, welchen Hut man trägt.»

Trotzdem werde er die Politik auch etwas vermissen, sagt Fredy Winiger. Der wichtigste Aspekt, den Kontakt mit Menschen, werde er aber nicht aufgeben müssen. «Ein normaler Bürojob ohne Kontakt zur Aussenwelt wäre sicher anstrengender für mich gewesen.» Vermissen werden ihn auch seine Mitstreiter in der SVP. Fredy Winiger war in der Region in diversen Rollen für die Partei aktiv. Unter anderem als Wahlkreisleiter und Wahlkampfleiter. «Das kannst du doch nicht machen.» Diesen Satz habe er in Zusammenhang mit seinem Entscheid von diversen Kollegen vernommen. Auch der aktuelle Wahlkreispräsident Raimund Wenger aus Aesch kann seine Enttäuschung nicht verbergen. «Es schmerzt natürlich, einen so erfahrenen und gut vernetzten Politiker zu verlieren.» Jedoch müsse die SVP Fredy Winiger «nur» als Amtsträger ziehen lassen. «Mitglied wird er bei uns ja weiterhin bleiben.» Das bestätigt auch Winiger. «Ich werde auch künftig politisch interessiert sein und meine Einstellung wird sich sicher nicht ändern.»

Am Anfang war da Euphorie
Begonnen hat Fredy Winiger seine politische Karriere Mitte der 1990er-Jahre. Damals gründete er zusammen mit einigen Mitstreitern die SVP Hohenrain. «Im Zuge der Euphorie rund um die EWR-Abstimmung von 1992 entstanden in den Folgejahren überall im Kanton Luzern Ortsparteien der SVP», erinnert sich Winiger. Aktiv in die Gemeindepolitik schaltete sich der Kleinwanger erst Jahre später ein. 2007 wurde er nach Tätigkeiten in einer Arbeitsgruppe in das Gremium gewählt. Kaum dort angekommen, hatte Winiger bereits alle Hände voll zu tun. «Nach dem grossen Unwetter im August 2007 war ich im gesamten Gemeindegebiet unterwegs, um die massiven Schäden zu begutachten.» Das sei zwar ein happiger Einstieg gewesen, gleichzeitig sei er so aber sehr schnell in seine neue Aufgabe hineingewachsen.

Winiger kann sich gut erinnern, wie er anfangs glaubte, grosse Veränderungen in der Gemeinde herbeiführen zu können. So habe er gleich zu Beginn eine Unterhaltsgenossenschaft (UHG) gründen wollen, in welcher alle 600 Eigentümer sämtlicher Güterstrassen von Hohenrain eingeschlossen wären. «Das kam nicht überall gut an.» Die Diskussionen über Kosten und Perimeterberechnungen zogen sich über Jahre hinweg. Die UHG besteht bis heute nicht. «Nach 15 Jahren ist sie nun in Vorbereitung. Die Gründung werde ich als Gemeinderat nicht mehr erleben», stellt Winiger ernüchtert fest. Enttäuscht sei er deswegen aber nicht. «Man muss zuerst lernen Politik zu verstehen. Das geht zu Beginn fast allen so.»

Stolz und Enttäuschung
Stolz ist Fredy Winiger auf die realisierten Infrastrukturprojekte, welche unter seiner Leitung entstanden. «In meiner Zeit wurde so manche Strasse saniert, das ist sicher ein Meilenstein in meiner Zeit als Gemeinderat.»

Auch bei der Schulinfrastruktur habe man vieles erreicht. So wurden sämtliche Schulhäuser saniert, in Kleinwangen eine Halle saniert und die Gebäude mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet. «In Hohenrain steht kein öffentliches Gebäude mehr, dass mit fossilen Brennstoffen beheizt wird», sagt der SVP-Politiker stolz. Winiger, der im Kantonsrat das neue Energiegesetz vehement bekämpfte, betont gerne, dass die Umstellung in Hohenrain «absolut freiwillig» umgesetzt werden konnte. Die Beiträge, welche dank des Gesetzes nun an die Gemeinde fliessen, nahm Finanzvorsteher Winiger trotzdem gerne. «Den Zustupf können wir sicher gut gebrauchen, an meiner Meinung zum Gesetz ändert das aber nichts», so Winiger.

Als er sein Amt übernahm, war Hohenrain mit 600 000 Franken im Minus und hatte kaum Eigenkapital. Er sei stolz, dass die Gemeinde «jetzt wieder schwarze Zahlen schreibt». Neben guter Finanzpolitik habe dies aber auch mit dem Steuerfuss zu tun, relativiert Winiger seinen Erfolg gleich selbst. «Dieser ist bei uns mit 2.15 Einheiten ziemlich hoch.»

Eine Herausforderung war für Winiger die Affäre um den ehemaligen Gemeindepräsidenten Herbert Schmid.  Dieser musste zurücktreten, weil er Einkünfte, welche er als Berater vom BBZN Hohenrain verdiente, unterschlagen hatte. «Das war ein grosser Rummel. Wir mussten klarstellen, dass Schmid keine Fehler im Umfeld der Gemeinde gemacht hatte.» Er habe damals von diversen Seiten gehört, dass er der künftige Gemeindepräsident wird. Dazu kam es nicht. Ende 2019 unterlag Winiger Alfons Knüsel (CVP). «Das war eine grosse Enttäuschung für mich. Ich trete aber nicht deswegen zurück, wie das manche vermutet haben», sagt Winiger lachend.

Den VLG wird er vermissen
Gefordert war Fredy Winiger auch als Präsident der Idee Seetal. Unter seiner Führung wurde die Reorganisation des regionalen Entwicklungsträgers umgesetzt. «Damit waren wir lange Zeit intern stark beschäftigt.» Die grösste Herausforderung für die Idee Seetal sei das schmale Budget und der Personalmangel. Bis heute konnte kein Projektentwickler eingestellt werden. «Ein 40-Prozent-Pensum ist nicht attraktiv und der Lohn, den wir anbieten können, zu wenig konkurrenzfähig.» An der Klausur vom 12. Juli werde man sich wieder mit Personalfragen auseinandersetzen, so Winiger.

Viel Freude machte Winiger auch die Arbeit im Verband der Luzerner Gemeinden (VLG), wo er im Vorstand für den Bereich Bau, Umwelt und Wirtschaft tätig war. Winiger wird noch bis im kommenden April im VLG tätig sein. «Dieses Amt lag mir besonders am Herzen. Wichtige Geschäfte werden dort stets zuerst behandelt. Die Aufgaben sind ungemein spannend.» Auch sein Vorstandskollege bedauert Winigers Abgang. «Für mich persönlich ist sein Rücktritt ein Verlust. Winiger hat viel Erfahrung, weiss von was er redet und ist sehr kollegial.» Die warmen Worte stammen nicht etwa von einem SVPler, sondern vom Eschenbacher CVP-Gemeinderat Markus Kronenberg.

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