Robin Henseler hat seine Maturaarbeit über Wegkreuze verfasst und macht auf deren Verfall aufmerksam. Seine Arbeit könnte nun auf besondere Art belohnt werden.
Robin Henseler hat ganze Arbeit geleistet. Seine Referentin belohnte ihn für die Maturaarbeit «Wegkreuze – Symbolik, Geschichte, Bedeutung» mit der Note sechs. «Damit habe ich nicht gerechnet», gesteht der 21-Jährige und lächelt. Schulisch hat Henseler somit das Maximum erreicht. Für ihn ist das Projekt Wegkreuze aber mehr als nur eine Abschlussarbeit. Sein Ziel ist, die 39 Wegkreuze in der Kirchgemeinde Hitzkirch unter anderem durch seine Arbeit wieder ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. «Die Wegkreuze sind in Vergessenheit geraten. Viele wissen gar nicht, was sie bedeuten.» In seiner Arbeit beschreibt Henseler einerseits die Gründe für die Errichtung von Wegkreuzen, zeigt aber auch auf, was der heutige Mensch für eine Beziehung zu den Denkmälern pflegt. Für den Hitzkircher bedeuten die Kreuze viel. Bereits als 6-Jähriger fiel ihm das nur hundert Schritte von seinem Zuhause entfernte Wegkreuz auf. Es erinnert an 40 Soldaten, die zu Zeiten Napoleons an Lazarettfieber starben und gleich oberhalb der Kommende Hitzkirch begraben wurden. «Mich faszinierte die Geschichte dahinter. Auf dem Weg zu meinen Spielplatz blieb ich immer wieder davor stehen.» Das Interesse war so gross, dass Henseler 14 Jahre später sofort ein Thema für seine Maturaarbeit gefunden hatte. «Das war die Gelegenheit, um Geschichten über andere Wegkreuze zu erfahren.»
Die Geschichten, welche Henseler während seinen Recherchen zutage gebracht hat, sind vielfältig. Vom Grossonkel des heutigen Landbesitzers, der vor seinem Tod ein Kreuz erbaute, oder dem Dorf Gelfingen, das erst 1961 beschloss, doch noch eines zu bauen, weil es zum Dorfbild gehöre. Sogar ein Flugzeugabsturz im Zweiten Weltkrieg gehört dazu. Nebst der Entstehungsgeschichte wollte Henseler die persönlichen Geschichten der Landbesitzer zu ihren Kreuzen beleuchten. Dazu nahm er mit allen 39 Besitzern in der Kirchgemeinde Hitzkirch Kontakt auf. «Manche wussten nicht einmal, dass auf ihrem Land ein Kreuz steht», so Henseler. Dies führt der Hitzkircher auf die vielen Besitzerwechsel zurück, bei denen die Kreuze allmählich in Vergessenheit gerieten. Andere wussten zwar vom religiösen Denkmal auf ihrem Land, konnten oder wollten aber keine Geschichte darüber erzählen. Antworten wie «es stört beim Mähen» waren die Folge.
Robin Henseler wählte für seine Arbeit nur die drei besten Geschichten aus. Besonders interessant fand der Hitzkircher das Erlebnis einer Frau, die als Kind durch ein Wegkreuz von einem Unfall verschont blieb. «Ein Heuwagen hatte sich von einem Pferdegespann gelöst und raste auf sie und ihre Kollegin zu.» Die Kinder sassen auf einer Bank direkt beim Wegkreuz, in welches der Wagen hineinfuhr. «Zum Glück war die Bank hinter dem Kreuz. Wie durch ein Wunder passierte ihnen nichts.» Durch dieses Erlebnis habe die Frau eine tiefe Bindung zu dem Denkmal entwickelt und gehe bis heute regelmässig dorthin, um zu beten. Auch die zwei anderen Besitzer verbinden die Kreuze mit ihrem tiefen Glauben. «Eine Frau brach sogar in Tränen aus, weil sie bei dem Thema so emotional berührt war.»
Robin Henseler kann die Emotionen, welche ein solch religiöses Symbol auslöst, gut nachvollziehen. «Wenn ich an einem Wegkreuz vorbeigehe, bekreuzige ich mich und spreche ein Gebet.» Dies müsse aber zur Situation passen. «Wenn jemand dabei ist, mache ich es nicht immer.» Trotzdem ist Henseler kein Kirchengänger. Die Geschichte der katholischen Kirche mit Krieg und Unterdrückung löse bei ihm einen Zwiespalt aus. «Kirchen sind für mich in erster Linie faszinierende Bauwerke.» Trotzdem sei ihm die Erhaltung der christlichen Tradition wichtig. Und er würde sich wünschen, dass junge Menschen wieder mehr zum Glauben finden. Damit die christlichen Werte nicht in Vergessenheit geraten, ist für Henseler die Erhaltung der Wegkreuze ein besonderes Anliegen.

Robin Henseler trägt mit seiner Arbeit einen wichtigen Teil zur Erhaltung der Denkmäler bei. Nebst dem schriftlichen Teil hat er ein Verzeichnis aller 39 Wegkreuze der Kirchgemeinde Hitzkirch erstellt. Jedes Kreuz ist mit einem Foto aufgeführt, darunter sind Informationen über den genauen Standort mittels Koordinaten, der Standortbezeichnung sowie der Parzellen-Nummer zu finden. Diese Daten holte sich Henseler vom Grundbuchamt und dem Inventar der Kirchgemeinde Hitzkirch. Auch Experten wie der Geschichtslehrer Bruno Häfliger aus Hitzkirch standen dem 21-Jährigen zur Seite. «Er sagte mir am Anfang meiner Arbeit, dass es bereits ein solches Verzeichnis gibt. Jedoch merkte ich schnell, dass die Parzellen-Nummern durch Umzonungen und Besitzerwechsel nicht mehr korrekt waren.»
Durch Henselers Einsatz ist es der Kirchgemeinde Hitzkirch nun möglich, die baufälligen Wegkreuze zu identifizieren. Dies sei nötig, da gemäss Grundbuchamt keine genaue Rechtslage bezüglich Zuständigkeit bei den Wegkreuzen herrsche, so Henseler. «Manche Besitzer sorgen sich um die Erhaltung und andere gar nicht.» Der Hitzkircher freut sich, dass er mit seiner Arbeit Bewegung in die Sache bringen kann und das bereits geplante Restaurierungsprojekt der Kirchgemeinde dadurch unterstützt wird.
Die Kirchgemeinde freut sich über die Arbeit des 21-Jährigen. «Die Präsidentin war bei der Präsentation meiner Maturaarbeit anwesend und zeigte grosses Interesse», so Robin Henseler. Momentan kann er seine Arbeit aber noch nicht aushändigen. «Meine Referentin möchte damit zu einem Verlag gehen, um sie zu veröffentlichen.» Das sei bei einer Maturaarbeit schon speziell, sagt Henseler. Ob es tatsächlich so weit kommt, ist aber noch nicht sicher und wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Auch sein beruflicher Werdegang steht noch in den Sternen. «Ich habe nun bis im Januar Ferien und werde in dieser Zeit als Landschaftsgärtner arbeiten.» Nach dem Militärdienst kann sich der Hitzkircher vorstellen, ein Kunststudium anzufangen. Schliesslich sind für ihn die unterschiedlich gestalteten Kruzifixe auch ästhetisch wertvoll. «Ein Wegkreuz inmitten der Natur finde ich etwas Wunderschönes.»