Zwei Dirigenten für ein Orchester

79 Musiker aus Eschenbach und Ballwil gehen als Blas­orchester Oberseetal an die Blasmusikweltmeisterschaft. Das Projekt ist nicht nur für die Musiker einzigartig.

Die Feldmusik Eschenbach und die Musikgesellschaft Ballwil wagen eine spezielle «Hochzeit». Dafür schliessen sie sich zum Blasorchester Oberseetal zusammen. Es entsteht eine 79-köpfige Formation, welche am 16. Juli beim World Music Contest im holländischen Kerkrade teilnimmt. «Ich habe noch nie eine derart grosse Band dirigiert», sagt Martin Bättig. Der 36-Jährige ist Dirigent bei der Feldmusik Eschenbach und wird am Wettbewerb das Selbstwahlstück dirigieren. Bei einem Musikfest gibt es immer auch ein Aufgabenstück, welches von den Organisatoren vorab veröffentlicht wird. Für diesen Teil ist nicht Bättig zuständig, sondern sein Kollege Martial Kuhn. Er ist Dirigent der Musikgesellschaft Ballwil. Im Gegensatz zu Bättig hat er bereits Erfahrungen mit so vielen Musikern in einer Band. «Ich dirigierte einmal 80 Klarinettenspieler bei einem Kirchenkonzert», sagt Kuhn lachend.

Glücklicher Zufall

Es ist nicht der einzige Unterschied zwischen den Dirigenten. So haben beide ihren eigenen Stil, ein Stück zu interpretieren. Deshalb ist auch jeder der Chef «seines» Teils. «Wenn ich bei Registerproben das Stück von Martial geprobt habe, wusste ich bei jeder Entscheidung, dass ich diesmal nicht das letzte Wort habe», betont Bättig, der an der Schule Grosswangen als Lehrer arbeitet. Das sei am Anfang sicher eine Herausforderung gewesen, da eine solche Situation für sie als Dirigenten neu ist, bestätigt Kuhn. Trotzdem hätten beide häufig an den gleichen Stellen Kritik geübt. «Es sind die kleinen Details, die unterschiedlich sind», sagt Bättig. Auch die Musiker hätten sich schnell an die neue Situation gewöhnt und sich dem jeweiligen Dirigenten angepasst.

Die Idee, gemeinsam an einem Wettbewerb teilzunehmen und dafür beide Vereine zu einem grossen Orchester zu verschmelzen, hatten die beiden schon länger. «Ich und Martin wohnen in Ruswil und haben daher häufig Kontakt», sagt Martial Kuhn, der als Musiker sein Geld verdient. Dabei sei auch das Thema Zusammenarbeit zur Sprache gekommen. Dass sie nun ausgerechnet an die Weltmeisterschaften gehen, entstand durch einen glücklichen Zufall. Keiner der beiden Vereine besucht oder organisiert in diesem Jahr einen Wettbewerb. «Kerkrade kam gerade richtig», betont der 36-Jährige.

Enge Freundschaft

Aber auch bei den Musikern der beiden Vereine sei der Wunsch für ein gemeinsames Projekt schon länger ein Thema gewesen, bestätigt Hanspeter Brügger. Er ist Mitglied bei der MG Ballwil und fungiert als OK-Chef für den Wettbewerb. Das OK besteht aus je zwei Mitgliedern von Ballwil und Eschenbach, die sich um die Anmeldung und Unterkunft für den Wettbewerb kümmerten. «Unsere Vereine pflegen schon lange eine gute Freundschaft zueinander», sagt Brügger. So komme es häufig vor, dass Ballwiler nach Eschenbach gehen, um an einem Konzert auszuhelfen oder umgekehrt. Das funktioniere gut, da beide Vereine ungefähr auf gleichem Niveau spielen. «Als die beiden Dirigenten mit der Idee Kerkrade kamen, stimmten beide Vereine mit einer gros­sen Mehrheit zu», sagt der 64-Jährige. Ab der ersten Probe habe es gut funktioniert, da jeder Verein seine individuell starken Register besitze. «Wir ergänzen uns ideal», betont Brügger.

Nur eigene Musiker

Martin Bättig ist von der besonderen Freundschaft der beiden Vereine beeindruckt: «Da im Orchester jede Stimme doppelt besetzt ist, hatte ich am Anfang noch Angst, dass es Diskussionen geben könnte, wer wichtige Solo-Stellen spielt», gibt der 36-Jährige zu. Diese Angst sei aber schnell verflogen. «Jeder hat sich fürs beste Gesamt- ergebnis untergeordnet. Das hat mich extrem positiv überrascht.» Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass den Musikern keine Profis vor die Nase gesetzt werden, die schwierige Passagen übernehmen. «Wir wollen das mit unseren eigenen Leuten durchziehen», betont Bättig. Martial Kuhn stimmt zu: «Es ist einfach sympathischer.»

Teilnahme zeitweise unsicher

Nebst internen Herausforderungen musste das Blasorchester Oberseetal zeitweise sogar um eine gültige Teilnahme am Wettbewerb bangen. «Wir wussten nicht, ob zwei Dirigenten für eine Band zugelassen sind oder ob wir gleich disqualifiziert werden», sagt Martin Bättig. «Die Holländer waren glücklicherweise äusserst unkompliziert und bewilligten unsere Anfrage», zeigt sich Martial Kuhn erleichtert. Die Eschenbacher Musikanten wollten im Sinne der Kameradschaft sogar so weit gehen, diese Frage offen zu lassen und eine allfällige Disqualifikation zu riskieren. «Sie hatten Angst, dass das Projekt scheitern könnte, wenn einer von uns zu Hause hätte bleiben müssen», sagt Bättig. «Ich hätte mit diesem Vorschlag leben können, mir geht es in erster Linie um das Erlebnis auf der Bühne.» Kuhn sieht es zwar ähnlich, wollte das Risiko aber nicht eingehen. «Wären wir disqualifiziert worden, hätte die Stimmung im Orchester sicher gelitten.» Wie sie abschneiden werden, können die beiden nicht beurteilen: «Auf welchem Niveau ein Blas- orchester aus Singapur spielt, wissen wir einfach nicht.»

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